Rurrenabarque

30. Oktober bis 6. November

Was nach der Todesstraße – zwischen Coroico und Rurrenabarque – kommt, strapaziert ganz schön unsere Nerven. Warum die Todesstraße ihren Namen hat und nicht dieser Abschnitt? Gute Frage! Die Straße ist staubig, einspurig und hat im Gegensatz zur Todesstraße viel Verkehr – verrückte LKW und Busfahrer dominieren das Pflaster oder besser gesagt die Sandpiste. Was passiert wenn im falschen Moment jemand entgegenkommt? Darüber denken wir lieber nicht nach. Ich bin mal wieder froh, dass Erik fährt und nicht irgendein verrückter Bolivianer. Trotzdem komme ich selbst auf dem Beifahrersitz ordentlich ins Schwitzen und klammere mich an der Tür fest. Auch hier, wie schon im Rest von Bolivien, zählen wir zig Kreuze an der Straße. Einmal müssen wir um eine Kurve rückwärts fahren, weil uns ein LKW entgegenkommt. Wie auf der kompletten Todesstraße gibt es auch hier immer wieder Abschnitte auf denen man links fahren muss. Der Fahrer soll so näher an der Klippe sitzen und einen besseren Überblick haben. Die Straße ist eine große Baustelle – sie wird tatschlich asphaltiert. Allerdings kann geländebedingt keine Umleitung eingerichtet werden, so wird ganz bolivianisch die Strecke komplett gesperrt – obwohl die letzten 100km vor Rurre längst fertig, sogar schon wieder geflickt sind. Gesperrt wird von Montag bis Samstag 7 bis 17Uhr. Eine super Idee! Unser Glück ist, dass wir an einem Sonntag unterwegs sind. Um die Sperrung zu umgehen, fahren wir die komplette Nacht durch. Erst um 1:30Uhr nachts kommen wir in Rurrenabarque, im Amazonas, an. Verständlicherweise mehr als ein bisschen kaputt. Da wir das Geld für die kurze Nacht sparen wollen, stellen wir uns einfach an den Fluss. Als i-Tüpfelchen oben drauf, gibt es nebenan eine Karaokebar mit lauter Musik, die uns noch etwas wachliegen lässt. Am nächsten Morgen überrascht uns nicht nur das Panorama,  grüne mit Regenwald bewachsene Hügel, sondern auch 36 Grad und Sonnenschein! Jetzt kommt auch zum ersten Mal der Ventilator im Bus zum Einsatz. Nachdem wir etwas die Stadt erkundet haben, finden wir ein nettes Hotel in dessen Innenhof wir campen dürfen. Ganz so entspannt wird es nicht, da gerade gebaut wird. Aber günstig war es immerhin und leicht etwas ohne Baustelle zu finden ist es in Bolivien auch nicht – Fortschritt sei Dank! Wenn wir uns schon die Mühe gemacht haben, bis hierhin durchzuhalten, wollen wir natürlich den Dschungel oder die Pampa noch intensiver erleben. Wir klappern ein paar Touragenturen ab und merken, dass wir das Geld für eine organisierte Tour nicht ausgeben wollen. Ersten kommt uns vieles aus Borneo bekannt vor und zweitens sind die Preise echt ordentlich. Es muss sich doch etwas auf eigene Faust unternehmen lassen? Wir setzen mit der Fähre auf die andere Flusseite über und fahren entlang des „Madidi Nationalparks“ nach Ixiamas. Als Erik Käse kauft, erfährt er, dass es im Dschungel eine Familie mit Amish-Hintergrund gibt, die auch Wanderungen anbietet und bei denen man den Dschungel und auch das Leben auf der Farm erleben kann. Die Familie in Ixiamas hilft uns den Trip zu organisieren, ist super gastfreundlich, lädt uns auf Gebäck und Getränk ein, zeigt uns ihren Garten mit Kakaobäumen, Mangos, Papayas und vielem mehr – will aber natürlich auch etwas bei der ganzen Sache verdienen. Die  junge Frau ist 23, hat zwei Kinder und verkauft Selbstgemachtes. Sie erzählt uns, dass es viele Frauen im Alter von 25 gibt, die bereits 5 Kinder haben. Wir beobachten auch in Läden oder Restaurants immer wieder, dass die Frauen ihre Kinder einfach mit zur Arbeit nehmen. Wäre das in Deutschland vorstellbar? Sie erzählt uns auch wilde Geschichten von gejagten Tigern – das Fell wurde für 70€ verkauft , Affen als Mahlzeit oder dem Phänomen, dass im ländlichen Bolivien alle ohne Autonummernschild fahren: Da sich der Govaneur die Subventionen eher in die Tasche steckt, als sie wie gedacht unter die Leute zu bringen, sparen sich die Leute wohl als „Gegenleistung“ das Nummernschild. Hier uind da ist auch zu hören, dass manche Autos auch nie ein Nummernschild bekomen würden, weil sie z.B. in Chile geklaut und dann nach Bolivienm gebracht wurden. Am Ende übersteigt der Ausflug zur Amish-Familie leider deutlich unser Budget, wir geben etwas Trinkgeld und beschließen am nächsten Morgen selbst zu Sarahs Familie in den Dschungel zu fahren und mit ihr den Preis zu verhandeln. Ausgerechnet in dieser Nacht hat es etwas geregnet, die Straße ist so matschig, dass wir umdrehen müssen, weil wir sonst stecken bleiben – zu schade. Wie es das Schicksal so will, kommt gerade dann Sarah mit ihrer Familie auf der Pferdekutsche vorbei. Sie waren auf dem Weg ins Dorf. Wir lassen den Bus an der Straße stehen und fahren mit Sarahs adoptiertem Neffen auf der Kutsche zurück zur Farm – über den Preis sind wir uns schnell einig. Also verbringen wir den restlichen Tag und eine Nacht mit Sarahs Familie. Wir lernen einiges über das Leben einer Amishen Familie – ein Leben ohne jeden Fortschritt – pflücken jede Menge Früchte direkt von den Bäumen, werden lecker bekocht und stellen witzigerweise fest, wie ähnlich das Pensylvania-Deutsch, das sie sprechen, und mein Dialekt sind – endlich kann ich mal wieder schwäbisch reden! Wir machen mit Sarahs Neffen eine Wanderung mit Machete (die ist nicht nur dazu da den Weg freizuschlagen, sondern u.a. auch um wilde Maracujas von den Bäumen zu ernten) durch den Dschungel auf einen Aussichtshügel. Von dort haben wir einen Blick über den Regenwald. Am Abend werden die Kühe gemolken, wir gehen fischen und es gibt frische Wassermelone, die geerntet und mit der Pferdekutsche aufs Gelände transportiert wurde.

 

 

Da wir nicht nur den Dschungel, sondern auch die Pampa sehen wollen, holpern wir über die nächste „Waschbrettstraße“ nach Santa Rosa. In Santa Rosa starten die Touren in die Pampa. Als wir zum Hafen fahren, müssen wir nicht lange warten bis uns ein Bootsbesitzer anspricht. Wir vereinbaren mit ihm eine Tour für den nächsten Morgen. Unser Ziel: Die seltenen rosa Flussdelfine zu sehen. Auf dem Rückweg vom Hafen entdecken wir zufälligerweise wie eine Familie ein Kalb zerlegt. Wie sich später herrausstellt, war das Kalb nur zum Eigenbedarf geschlachtet worden, aber ohne groß zu zögern, verkaufen sie uns ein Stück davon. Während wir an der Lagune bei einem tollen Sonnenuntergang unser Kalb grillen, haben die Bauarbeiter, die dort an einem Ferienresort bauen, einen Kaiman zum Abendessen gefangen. Der soll wie Fisch schmecken und passt anscheinend gut zum 96% Alkohol, den sie trinken – probiert haben wir es nicht. Die Stadt ist ziemlich einsam, die Leute hier haben nicht mal Lust mit Touristen Geld zu verdienen, sind eher unfreundlich. Vielleicht ist es ihnen aber auch einfach zu heiß. Die kalte Dusche, die es am Straßenrand für 3 Bolivianos gibt, bringt nur für kurze Zeit Abkühlung. Wie schon in ganz Bolivien gibt es selbst in diesem winzig kleinen Dorf mehrere Läden die Secondhand-Kleidung für 1 bis 3€ verkaufen. Diese Kleidung kommt größtenteils aus der Kleiderspende aus den USA. Verrückt ist, dass die Verkäufer in Bolivien für ein Paket – sie wissen nie was sich darin befindet – wohl 300$ bezahlen müssen. So viele Läden, wie es im ganzen Land gibt, scheint es aber trotzdem ein zumindest gutes Geschäft zu sein. Erstaunlich (über)pünktlich, kurz vor Sonnenaufgang,  legt am nächsten Morgen unser Boot ab. Etwas enttäuscht bin ich darüber, dass die rosa Delfine ziemlich scheu sind. Es ist viel zu wenig Wasser im Fluss, sie schwimmen nicht viel durch die Gegend, sondern tummeln sich weit entfernt in Seen. Wahrscheinlich können wir uns glücklich schätzen, dass wir sie überhaupt sehen. Als wir ins Wasser hüpfen, schwimmen sie aber davon. Ganz schön gruselig ist es von den Aligatoren am Flussrand beobachtet zu werden. Dann doch lieber wieder zurück ins Boot. Aligatoren und Kaimane gibt es hier hunderte, dazu Schildkröten, freche kleine Äffchen, Vögel und die lustigen Capybaras. Also doch noch ein unvergesslich tolles Erlebnis.

 

 

 

 

 

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